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Ein rechter Staat und der Rechtsstaat!

In einem rechten Staat unterscheidet man zwischen „den anderen“, denen „von außen“, den „Fremden“ und „uns“ – ja wem eigentlich: den „Deutschen“?, den „Passdeutschen“?, den „Biodeutschen“? Die einen sind für alles Übel, die Kriminalität, die Drogen, die Respektlosigkeit und die Gewalt verantwortlich. Die anderen, also „wir“ müss(t)en das alles erleiden und „uns“ endlich wehren. Die Empörungsgrenze liegt zwischen „denen“ und „uns“: Für die überwältigende Mehrheit von „den anderen“, die sich nichts zuschulden kommen lassen, interessiert sich niemand und übrigens auch nicht für diejenigen von „uns“, die Gewalt in der Beziehung ausüben, Steuern hinterziehen und Diebstähle begehen; als ob es dies „bei uns“ nicht gäbe.

 

Unterschiede zwischen Rechtsstaat und einem rechten Staat

In einem Rechtsstaat unterscheidet man zwischen denen, die Straftaten begehen und denen, die solche erleiden. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich und allen Straftätern wird ein rechtsstaatliches Verfahren gewährt, das die Würde des Menschen wahrt und zugleich die Opfer von Straftaten schützt. Die Grenze der Rechtsprechung liegt da, wo einem Menschen eine Straftat nachgewiesen wird.

 

Von einem rechten Staat werden Straftäter wegen einer „noch so kleinen Straftat“ abgeschoben. Klare Kante gegen „die anderen“! Egal wohin - Hauptsache weg von „uns“ (von wem nochmal?)!

 

Ein Rechtsstaat dagegen ist an Recht und Gesetz gebunden. Die Bundesrepublik Deutschland darf nicht einfach abschieben, wenn kein sicherer Aufenthalt im Zielland garantiert ist oder andere, klar definierte Ausnahmeregelungen eine Abschiebung ausschließen. Hier gilt das Grundgesetz, die Bestimmungen des Ausländer- und Asylrechts und die Europäische Menschenrechtskonvention. So schwer erträglich die Tatsache auch manchmal scheint: Das deutsche Recht sowie die Europäische Menschenrechtskonvention gelten auch – und gerade - für Straftäter. Genau das ist aber doch der zivilisatorische Fortschritt, der die EU-Länder und auch Deutschland von autoritären Demokraturen unterscheidet. Die Gleichheit vor dem Gesetz und die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln: Das sind „unsere Werte“, die es zu verteidigen gilt.

 

In einem rechten Staat gibt es die eine Linie, die eine richtige Politik, die eine einfache Lösung. Die wird dann vorgeschrieben und – basta. Hauptsache „wir“ (wer war das noch mal?) profitieren davon.

 

In einem demokratischen Staat, wird um die beste Lösung gerungen, gestritten und manchmal gefeilscht. Die Komplexität der Probleme spiegelt sich in der Vielfalt der Antworten. Das ist fast immer langwierig, oft langweilig und manchmal fürchterlich nervig. Aber nur dieser Meinungsstreit kann die Belange möglichst aller berücksichtigen: Den Anspruch der jungen Generation, die ein Recht auf ein gutes Leben auf einem lebenswerten Planten hat – ja, lasst uns darüber streiten, ob es effektivere Maßnahmen als den Umbau privater Heizungen oder die Einführung der E-Autos. Den Anspruch auf gleichberechtigte Beachtung aller  - ja, lasst uns darüber streiten, ob das Gendern oder dessen Verbot geeignet sind, bisher wenig beachteten Gruppen mehr Sichtbarkeit und Ausdrucksfähigkeit zu verschaffen. Dieser Streit über die Wege zur Bewahrung des Planeten und zur Umsetzung berechtigter Forderungen nach Gleichberechtigung ist der Kern unserer Demokratie.

 

Ach ja, und in einem rechten Staat werden die, die wenig haben, darin bestärkt, auf die zu schimpfen, die noch weniger haben - am besten auf „die anderen“, die „wir“ (wer?) mitfinanzieren müssen. Da ist sie wieder: die „Empörungsgrenze“, die imaginäre Linie, die menschenverachtende Grenze.

 

In einem Sozialstaat verläuft die Grenze zwischen den sozial Schwächeren und denen, die in der Lage sind, mehr zu tragen. Dieser Anspruch wird nicht immer zufriedenstellend eingelöst, weder für die Hilfsbedürftigen, noch für die, die die Mittel bereitstellen. Die Regeln, nach denen der Ausgleich von Stärken und Schwächen erfolgt, werden politisch ausgehandelt. Der langwierige Prozesse der Aushandlung dieser Regeln ist die „politische Kultur“ dieses Landes, nicht das Treten nach unten.

 

Nicht-rechte Politik ist eine Politik der Verteidigung dieses Fundaments unserer Verfassung: Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 GG).

 

Das sind unsere Werte, unsere Demokratie und unsere Kultur.